7 Tage auf dem GR221 in Mallorca…

Teil 3 – Eine Oase in der Wüste!

Der Wecker klingelt früh. Ich öffne langsam die Augen und sehe die Insel „La Dragonera“ im ersten Licht des Tages. Dieser Anblick ist wirksamer als der stärkste Kaffee! Ich fange gleich an meine Sachen zu packen, denn für das Frühstück habe ich einen anderen Ort, eine andere Perspektive, geplant. Ich gehe ca. 5 Minuten weiter und mache es mir an der kleinen Aussichtsterrasse bequem. Von hier aus hat man einen völlig ungehinderten Blick auf „La Dragonera“, die steile Küste und die türkisfarbenen Buchten unterhalb. Nach einigen Fotos, gönne ich mir erstmal Waffeln zum Frühstück. Ich sitze auf einem Felsen und genieße diesen traumhaften Anblick und die Ruhe zu Tagesbeginn.

"Frühstücksblick" auf La Dragonera.

"Frühstücksblick" auf La Dragonera.

In den alten Gemäuern der Klosterruine ist es noch totenstill. Die gestrige Feier der Freiwilligen ging bis spät in die Nacht. Nur der Leiter der Gruppe setzt sich irgendwann mit einem Becher Kaffee einige Meter weiter hinten hin. Ihm scheint es genauso zu gehen wie mir. Als ich aufbreche bietet er mir noch einen Kaffee im Lager an, was ich allerdings dankend ablehne. Ich möchte schnell los, denn ich habe mir ein beachtliches Stück für heute vorgenommen.

Der Weg beginnt sehr angenehm, kurze Anstiege gefolgt von längeren Flachstücken. Man hat einen wunderschönen Blick über das gesamte Areal der Klosterruine. Immer wieder weisen Schilder darauf hin wie sehr dieser Ort geschützt und gepflegt wird, und fordert dies auch von den Wanderern. Völlig zu Recht wie ich finde. Nach einer guten halben Stunde wird es deutlich anstrengender. Dies liegt zum einen am Weg, welcher nun stetig bergauf führt in Richtung Pass. Zum anderen, ist die Sonne mittlerweile höher gestiegen und brennt bereits am frühen Morgen schonungslos vom Himmel herunter. Schatten sucht man hier, wie übrigens auf dem größten Teil des GR221, vergeblich. Mein Wasserverbrauch steigt somit auch bereits sehr früh am Tag an. Nun kommt der schönste Teil der heutigen Etappe. Auf einem langgezogenen Hochplateau geht es fast eben entlang der Küste. Immer wieder eröffnen sich einem spektakuläre Ausblicke. Die Buchten und Hügel sind wie Perlen an einer Kette aufgereiht. Der Blick schweift über diese hinweg bis zum blauen Horizont, wo sich Ozean und Himmel treffen. Ich schätze, dass dies jene Aussichten sind, wegen welchen man diesen Weitwanderweg geht.

Hier beginnt der schönste Teil dieser Etappe.

Hier beginnt der schönste Teil dieser Etappe.

Liliengewächs vor Traumkulisse... auch das ist Teil des GR221.

Liliengewächs vor Traumkulisse... auch das ist Teil des GR221.

Ausblicke wie dieser entschädigen für einige Strapazen.

Ausblicke wie dieser entschädigen für einige Strapazen.

Er hat nämlich auch seine Schattenseiten. Die erste ist das Fehlen von, genau, eben diesem. Schatten. Die Vegetation ist äußerst spärlich und die Sonne Mallorcas brennt bereits im Frühling gnadenlos. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen hier im Sommer unterwegs zu sein. Hinzu kommt die Trockenheit. Es gibt weit und breit keine Wasserquellen, keinen Fluss, noch nicht einmal einen Bach. Man muss tatsächlich seinen gesamten Wasserbedarf mit sich tragen, was gerade bei geplanten Übernachtungen im Freien und dem dazugehörigen Kochen mit einem Gaskocher, zu sehr viel zusätzlichem Gewicht führt. Bereits auf der zweiten Etappe bereue ich es, mich für Übernachtungen im Freien entschieden zu haben. Dies alleine wäre ja noch erträglich, allerdings kommt bei mir auch noch die Belastung durch eine sehr schwere Fotoausrüstung hinzu. Insgesamt trage ich zu Beginn der Tour satte 30 kg auf dem Rücken. Auch wenn ich durch das Fotografieren an schwere Rucksäcke gewöhnt bin, dieses Gewicht ist schlichtweg unerträglich. Vor allem bergauf wird es zu einer Qual. Am zweiten Wandertag habe ich bereits Schmerzen in der Schulter und der Rucksack schneidet sich förmlich in diese hinein. Dies führt auch dazu, dass ich mittlerweile 3 Arten von Pausen eingeführt habe: Fotopausen, Trinkpausen und „Rucksack von der Schulter oder ich sterbe“-Pausen. Ich versuche meist mindestens zwei Arten miteinander zu kombinieren um etwas Zeit zu sparen, was allerdings nicht immer gelingt. Es ist gar nicht so einfach die Fotomotive mit dem Durst und den Schmerzen zu koordinieren. Wenn es nichts zu sehen gibt, schmerzt die Schulter. Sobald der Schmerz nachlässt und ich wieder unterwegs bin, dann erscheint wie aus dem Nichts ein tolles Fotomotiv. Und wenn ich nach dem Fotografieren weitergehe, schlägt dann der Durst zu. Oder andersherum. Ihr versteht mein Dilemma. Dies hat zur Folge, dass ich deutlich langsamer unterwegs bin als geplant. Schon auf der heutigen zweiten Etappe wird mir klar, dass ich die Tour nicht so gehen kann wie geplant. Ich werde im weiteren Verlauf so ziemlich alles über den Haufen werfen und täglich improvisieren müssen.

Nach dem aussichtsreichen Hochplateau geht es eine Weile relativ eben weiter. Völlig unerwartet passiert es dann. Ich habe den ersten richtigen GR221-Wegweiser entdeckt. Nach immerhin 1 ½ Tagen auf selbigem. Ab hier beginnt also der offiziell fertige Teil der Strecke.

Erster offizieller GR221-Wegweiser von Port d'Andratx aus kommend.

Erster offizieller GR221-Wegweiser von Port d'Andratx aus kommend.

Die folgende Stunde bietet landschaftlich relativ wenige Highlights. Hinzu kommt, dass die Schultern immer stärker schmerzen und das Wasser langsam knapp wird. Seit meinem Start in Port d’Andratx habe ich kein Wasser aufgefüllt, inklusive einem Abendessen vom Gaskocher. Wegen der Wasserknappheit ist sogar mein obligatorischer Morgenkaffee ausgefallen. Wenig später komme ich an einen großen öffentlichen Rastplatz an der Passstraße. Dieser ist voller Holztische und Holzbänke, außerdem mit mehreren großen Grillstellen ausgestattet. Und er ist voll bis auf den letzten Platz. Heute ist Sonntag und dies scheint ein sehr populäres Ausflugsziel der Einheimischen zu sein. Ich setze mich nur kurz an einen der Tische und esse die restlichen Waffeln, welche vom Frühstück übrig sind.

Was nun kommt ist der unschöne Teil. Es gibt jetzt keinen Wanderweg mehr und man muss einige Kilometer auf der Straße gehen. Nicht auf einem Pfad neben der Straße, sondern tatsächlich auf der Straße. Es empfiehlt sich, laut der Schilder und des gesunden Menschenverstandes, in Gegenrichtung zu gehen. So sieht man wenigstens was einen erwartet und wenn Gefahr droht. Dieses System ist auf Mallorca sehr weit verbreitet, ich sollte auch später immer wieder auf solche Passagen treffen. In den engen Serpentinen muss man aufpassen, denn obwohl die Autofahrer davon wissen und dies auch mit Schildern bekräftigt wird, kommt hin und wieder ein erfolgreicher deutscher Jungbanker oder Immobilienmakler in seinem Porsche um die Ecke, mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit. Doch auch dieser Teil ist irgendwann geschafft und man hat wieder einen kleinen Pfad für sich, ganz ohne Gegenverkehr. Ich erspähe das Schild in Richtung „Ses Fontanelles“ und verlasse den schmalen Pfad längs der Hauptstraße. Wenige Schritte später stehe ich vor dem großen Holztor dieser wunderschönen Finca, man könnte dieses Tor auch Himmelspforte nennen!

Als ich um die Ecke komme, treffe ich auf 2 Wanderer, welche mich vor gut 1 ½ Stunden überholt hatten. Neben ihnen kniet ein junger Mann und bietet mir freundlich eine Erfrischung an. Es stellt sich heraus, dass es sich hierbei um Patrick handelt, mit dem ich vor einigen Tagen zwecks einer Übernachtungsmöglichkeit in Email-Kontakt stand (gemeinsam mit Britt betreibt er die wunderschöne Finca). Leider war der Schlafsaal zum Zeitpunkt meiner Anfrage bereits ausgebucht. Ich bin daher auf eine weitere Biwak-Nacht im Wald kurz hinter der Finca eingestellt. Ich gönne mir eine eiskalte Cola und merke beiläufig an, dass ja leider kein Schlafplatz mehr frei ist. Selten habe ich mich derart über einen Widerspruch gefreut wie in diesem Moment. Ich hatte nämlich ursprünglich für den Vortag angefragt. Heute ist tatsächlich noch ein Bett frei und ich brauche nicht wirklich Bedenkzeit um mir dieses zu sichern. Wenige Minuten später stehe ich bereits, mit meiner kühlenden Cola in der Hand, im Schlafsaal und habe freie Platzwahl. Da ich heute sehr früh aufgebrochen bin und die Etappe so doch relativ kurz war, bin ich um 15:00 Uhr der erste Übernachtungsgast für diese Nacht.

Wie eine Oase in der Wüste...

Wie eine Oase in der Wüste...

Ich organisiere mein Gepäck auf dem Bett und genieße anschließend eine ausgiebige Dusche. Im Anschluss wasche ich noch meine Klamotten und hänge diese an der Wäscheleine im idyllischen Garten in die mallorquinische Nachmittagssonne. Dann hole ich mein Notizheft und eine Zigarre, und mache es mir auf der kleinen Terrasse gemütlich. Nach und nach trudeln die anderen Gäste ein. Pärchen aus Deutschland, der Schweiz und Spanien. Ironischerweise haben sich gerade die einzigen Spanier verlaufen. Sie waren bereits kurz vor Estellencs als Patrick sie anruft und nachfragt, wo sie denn bleiben. Anschließend holt er sie mit dem Jeep ab und bringt sie zur Finca. In der Zwischenzeit steige ich die wenigen Meter hinauf zu einem tollen Aussichtpunkt. Der Blick reicht bis ans Meer. Hier mache ich noch schnell ein paar Produktfotos von meinem Gaskocher und den gesponserten Trekking-Mahlzeiten.

Tolle Produkte vor toller Kulisse.

Tolle Produkte vor toller Kulisse.

Ich kehre derweil mit dem Gaskocher und einem gefriergetrockneten Fertiggericht auf die Terrasse zurück. Hier ist Selbstverpflegung angesagt, was mir sehr gelegen kommt um die Vorräte etwas abzuspecken. Mein Optimus Crux Lite und der dazugehörige Kochtopf wecken das Interesse zweier Paare am Nebentisch. Wir kommen ins Gespräch und unterhalten uns nett, bis irgendwann einer nach dem anderen in den Schlafsaal verschwindet und sich seinem Erholungsschlaf widmet. Ich sitze noch eine Weile im Dunkeln und genieße die Stille. Ich höre nur hin und wieder große Steine, oder kleine Felsen, die von den wild lebenden Ziegen an den umliegenden Felswänden losgetreten werden. Ein wunderschönes Plätzchen diese Finca!

Mehr Info und Kontaktdaten zur Finca "Ses Fontanelles" findet ihr hier:

http://www.ses-fontanelles.es/index.html

Wenn jemand ein nahezu unzerstörbares Notizheft für den "härteren" Einsatz sucht, dann kann ich das Field Notes Expedition empfehlen, wasser- und reissfest und 100% recycelbar.

Die ersten beiden Teile meiner GR221-Tour verpasst? Schau doch mal hier:

Teil 1

Teil 2

Lust auf eine Biwak-Nacht in den bayerischen Alpen? Dann wirst du hier fündig:

Biwak-Nacht über dem Walchensee